Dez 172010
 

Eines Tages kam dieser Abdul (der Hausjunge) – wir nannten ihn Doel (sprich: Duhl – niederländisch: Ziel) – auf meinen Vater zu und fragte, ob er eine Woche frei bekommen könne, um nach Hause in sein Dorf zu gehen. «Was gibt es denn?» fragte mein Vater. «Naja», sagte Doel, «meine Mutter ist gestorben, und ich muß sie begraben …» Mein Vater erinnerte sich, daß Doels Mutter vor einem halben Jahr schon einmal gestorben war und daß er auch damals Urlaub erbeten hatte. Daher sagte er: «Kommt gar nicht in Frage, du brauchst doch deine Mutter nicht zweimal zu bestatten!» – «Nein, Herr», sagte Abdul, «das stimmt ..:» – «Aber», fragte mein Vater weiter, «worum geht es denn dann?» – «Naja», sagte Doel, «ich würde doch sehr gerne meine Mutter begraben … » – «Na, dann geh nur», sagte mein Vater, «aber ich hätte von dir nicht erwartet, daß du mir mit solchen Lügen kommst!»

Am selben Abend fragte ich Doel, was denn eigentlich los sei, und er sagte: «Weißt du, ihr zeigt so wenig Einfühlungs¬vermögen! Wenn ich so offenkundig lüge, dann will ich damit sagen: Ich kann euch den wahren Grund nicht erzählen. Dann müßt ihr nicht weiterfragen. Dann müßt ihr sagen: Doel, ich hoffe, daß deine Mutter ein gutes Begräbnis haben wird!»

Autor: Nach Bernard Lievegoed aus: „Durch das Nadelöhr“