Eine Perspektive

 
Entwicklungsbegleitung und asiatische Bewegungskunst (Kwoon Do)
 
Eine Perspektive

 
Seit über 25 Jahren leite, führe und begleite ich Menschen und Gruppen in ihrer Entwicklung. Mein eigener Weg führte mich, angefangen von den asiatischen Kampf- und Bewegungskünsten und dem Zen-Buddhismus, zu den europäischen Geistesströmungen, und von da aus zur Anthroposophie Rudolf Steiner’s. Für diejenigen, die sich mit Kampfkünsten beschäftigen, wird das Folgende nicht neu sein. Diejenigen Leser, die sich nie mit Tai Chi Chuan, Kwoon Do, Kung Fu, Karate, Aikido, Qi Gong, Yoga oder ähnlichem beschäftigt haben, seien beruhigt. Es wird sich nicht um sensationell neues handeln, sondern eher um die Möglichkeit, etwas „anders“ zu üben und zu lernen.
Das hier gemeinte Üben ist nicht mit „Training“ zu verwechseln und endet nicht in einer „Aufführung“. So nach dem Motto: erst üben, dann aufführen. Die hier gemeinten Übungen dienen dazu, sich in eine entsprechende Wirklichkeit zu versetzen, und sich darin „zu halten“. Es gilt nicht nur zu reden und miteinander hochgeistige Gespräche zu führen, wie wir das in unserem Kulturkreis gewohnt sind, sondern bestimmte geistige Gesetze und Tatsachen, über unseren Körper, seelisch erlebbar zu machen.
Wir Europäer kennen das aus der Kunst des Handwerks. Ein jeder Schmied weiß, dass er sich bei seiner Arbeit mit seinem Material in Beziehung bringen muss. Er wird eine Beziehung mit dem zu bearbeitenden Material anstreben und sich nach den Bedingungen der Materialstruktur ebenso richten, wie nach seinen Vorstellungen und Plänen. Er wird nicht vorgeben, sein Material, das Eisen, besiegen zu wollen, er wird es mit seinem Hammer formen und mit der Bewegungsintensität mitgehen. Nicht gegen das Material arbeiten, sondern mit dem Material zusammen etwas erschaffen ist sein Ziel.
Weshalb sollte es im Dialog mit anderen Menschen anders sein? Weshalb denken wir so oft, es komme darauf an, anderen unseren Willen aufzuzwingen, statt Wege zu finden, wie wir gemeinsam ein Ziel erreichen können? In der Arbeits- und Geschäftswelt und in Partnerschaften sind viele Menschen daran gewöhnt, in Freund-, Feind- und Kampf- Metaphern zu denken. Es scheint sinnvoll, zu kämpfen, um den Wettbewerber, den Kollegen, den Vorgesetzten zu „besiegen“. Und die Kampfschauplätze sind mannigfaltiger Art. Solange es allerdings Sieger gibt, wird es auch Besiegte oder Verlierer geben. Die Philosophie der asiatischen und europäischen Kampfkunstart KWOON DO hat sich von dieser Vorstellung, dass es Kampf und Sieger geben muss, befreit. Für den „Übenden“ gibt es hier keine Feinde. Deshalb ist auch das Kampfkunsttraining nicht dazu da, um stark zu werden, oder einen Gegner auf die Matte zu werfen. Die Idee des Übenden ist es, den eigenen „Standpunkt“ zu finden und zu leben, ohne dabei zu verhärten – bzw. Situationen anderer Menschen wahrzunehmen, ohne sich darin zu verlieren.
In der Praxis bedeutet dies, fähig zu sein, in jeder Alltagssituation „anwesend“ zu sein. Damit diese Vorstellung im „Übungsraum“ umgesetzt werden kann, gibt es weder Vergleichskämpfe, noch Gewichtsklassen, noch herrscht die Vorstellung, jemand sei stärker, besser oder schlechter. Es geht allein darum, etwas über sich selbst und den Umgang mit anderen Menschen zu erfahren. Für mich, Volker Frohnhoff, der ich mich seit über 28 Jahren mit diesen Prinzipien beschäftigt habe, war es in den ersten Übungsjahren (und ist es heute noch) eine Faszination, keine Angst davor zu haben, angegriffen zu werden, oder sich angreifen zu lassen, sondern vielmehr die Haltung zu erlangen, nicht mehr „angreifbar zu sein“!
 
WER NICHT SIEGEN WILL, IST UNBESIEGBAR. (Georg Kühlewind)
 
Eine solche „Kultur der inneren Haltung“ zu erzeugen erfordert allerdings Respekt vor den Ideen anderer Menschen und vor allem die Kraft, den anderen in seinem „anders sein“ so stehen lassen zu können. Das schließt auch das „aushalten“ von Aggressionen mit ein. Nur wenn diese richtig wahrgenommen, verstanden und gewürdigt werden, können sie zum Hebel, zum Initiativpunkt werden, der hilft, die eigene innere Haltung zu kultivieren. Nach 12 jähriger Praxis im Vertrieb und Personalmanagement in einem großen deutschen Dienstleistungsunternehmen, bin ich der festen Überzeugung, dass sich die asiatischen Bewegungskünste in ihrer Grundhaltung mit den „mentalen Bewegungskünsten“ der Konfliktberatung und der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners sehr gut ergänzen.
Darum geht es nicht nur in der Kampfkunst KWOON DO, so wie ich sie verstehe, lehre und lebe, sondern auch in der von mir praktizierten Entwicklungsbegleitung. Auch hier gilt es, dem anderen Menschen aus der eigenen inneren Haltung heraus Raum zu geben und dadurch eine wirkliche Begegnung, einen Dialog möglich zu machen.
Alles wirkliche Leben ist Begegnung. (Martin Buber)